Fabian Braesemann lehrt und forscht am Oxford Internet Institute unter anderem zur Zukunft der Arbeit. Zusammen mit seinen Kollegen hat er aber auch herausgefunden, wie Restaurantbewertungen und Immobilienmarkt-Entwicklung in Zusammenhang stehen. Einblicke in eine neue, hochspannende Wissenschaft.
Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler zu sein, ist dann besonders schwer, wenn viele Menschen nicht verstehen, wof眉r die Erkenntnisse der eigenen Forschung eigentlich zu gebrauchen sind. In Deutschland steht Fabian Braesemann mitunter genau vor diesem Problem. Er ist Social Data Scientist an der Uni in Oxford. 鈥濻oziale Datenwissenschaft鈥� besch盲ftigt sich mit der Frage, was wir aus der Auswertung von Trilliarden von Daten aus dem Internet f眉r unsere Gesellschaft lernen k枚nnen. Sie verbindet Statistik, Informatik und Sozialwissenschaft. Durch die Verwendung algorithmischer und mathematischstatistischer Methoden in Verbindung mit k眉nstlicher Intelligenz werden Informationen so gereinigt und aufbereitet, dass sie uns anschlie脽end pr盲zise Antworten auf bestimmte sozialwissenschaftliche Fragestellungen geben k枚nnen. Braesemann formuliert es so: 鈥濪ie Daten erm枚glichen, dass wir soziale Prozesse verstehen k枚nnen auf eine Art und Weise, wie wir vorher nur naturwissenschaftliche Prozesse verstehen konnten.鈥�
Der geb眉rtige Berliner hat an der TU seiner Heimatstadt Volkswirtschaftslehre studiert, war anschlie脽end in Warschau an der Universit盲t, um sp盲ter in Wien zu promovieren und als Datenwissenschaftler zu arbeiten. Seit f眉nf Jahren ist er mittlerweile schon im altehrw眉rdigen Oxford, wo er aktuell als Dozent (鈥濪epartmental Research Lecturer in Artificial Intelligence & Work鈥�) f眉r soziale Datenwissenschaft und die Zukunft der Arbeit lehrt und forscht. Unterst眉tzt wird seine Forschung und die Arbeit des Oxford Internet Institute insgesamt ma脽geblich durch die F枚rderung der Dieter Schwarz Stiftung.
鈥濫s ist f眉r mich manchmal nur schwer nachvollziehbar, wieso das Verst盲ndnis in unserer Gesellschaft f眉r die Nutzung sozialer Daten so wenig ausgepr盲gt ist und so misstrauisch be盲ugt wird鈥�, erlaubt der 35-j盲hrige einen kurzen Einblick in sein Gef眉hlsleben. Denn 鈥瀉us den Daten k枚nnen wir so viel lernen鈥�. J眉ngstes Beispiel ist Braesemanns wissenschaftliches Papier zum Verh盲ltnis zwischen RemoteArbeit und dem weltweiten Megatrend zur Urbanisierung. Die Fragestellung, die dahintersteckt: Man k枚nnte glauben, dass die Pandemie das Arbeitsleben nachhaltig ver盲ndert und zu mehr Online-Arbeit gef眉hrt hat? OnlineArbeitsplattformen sollten es erm枚glichen, dass Arbeitende in gro脽em Ma脽e von den Str盲nden Balis aus die Metropolen der Welt mit ihren Dienstleistungen versorgen? F眉r die Antwort haben Braesemann und seine Co-Autoren unter anderem Daten von Remote-Arbeitsplattformen untersucht, auf denen weltweit 眉ber 160 Millionen Menschen angemeldet sind. Ergebnis: Die Daten zeigen eindeutig, dass eine Ausbreitung der Wissensarbeit in gro脽em Stil auf l盲ndliche R盲ume unwahrscheinlich ist. Im Gegenteil: Braesemann konnte nachweisen, 鈥瀌ass digitale Interaktionen es den hochspezialisierten Fachkr盲ften in den gro脽en St盲dten erm枚glichen, von einer erh枚hten Online-Nachfrage zus盲tzlich zu profitieren鈥�. Mit anderen Worten: Die Arbeit bleibt in den St盲dten. Eine wichtige Erkenntnis, wenn man sich fragt, wie der Arbeitsmarkt der Zukunft wohl beschaffen sein wird und welche Rolle digitale Technologien dabei spielen,die Kluft zwischen Stadt und Land zu reduzieren oder eben nicht.
Anderes Beispiel: Zusammen mit seinem Team hat Braesemann Daten von Restaurant-Bewertungsplattformen wie etwa Tripadvisor vor dem Hintergrund der Frage untersucht, was wir aus den Millionen von Eintr盲gen 眉ber Gentrifizierung, also die Quartiersentwicklung, im urbanen Umfeld lernen k枚nnen. Ergebnis: Die Ver盲nderung der Gastronomie, das vermehrte Auffinden fremdsprachiger Portaleintr盲ge, das Aussterben bestimmter Lokal-Kategorien l盲sst verl盲ssliche Schl眉sse zu auf die Entwicklung von Miet- und Immobilienpreisen in einem Stadtviertel. Braesemann dazu: 鈥濪ie Daten liegen am Stra脽enrand. Man muss sie nur aufsammeln.鈥� Und nach einer kurzen Pause f眉gt er hinzu: 鈥濪aten helfen, unsere Lebenswelt besser zu verstehen und letztlich zu gestalten.鈥� Dass es sich dabei aus seiner Sicht keineswegs um Kleinigkeiten handelt, verr盲t der n盲chste Satz: 鈥濽nsere Untersuchung zum Wandel der Quartiere durch Verdr盲ngung konnte zeigen, welche Gefahr f眉r den sozialen Frieden von diesen Ver盲nderungen ausgeht und wie Daten helfen k枚nnen, diese Ver盲nderungen vorherzusagen und diesen entgegenzuwirken.鈥� Als geb眉rtiger Berliner wei脽 er da genau, von was er spricht.
Nat眉rlich sieht Fabian Braesemann auch die Gefahren durch missbr盲uchliche Nutzung derartiger Daten. Aber er sagt auch: 鈥濾erteufelung ist der falsche Weg. Was es braucht, ist Regulierung.鈥� Die Daten selbst werden im Institut erhoben oder stammen h盲ufig 鈥� in anonymisierter Form 鈥� auch von den Plattformen selbst. F眉r Braesemann ist seine Arbeit absolut unerl盲sslich. 鈥濪er Prozess dieser Datennutzung ist ohnehin nicht aufzuhalten.鈥� Deshalb sei es so wichtig, 鈥瀒hn 眉ber Kontrolle und gutes Management in die richtigen Bahnen zu lenken鈥�.
Dieses kostbare Forschungsfeld allein dunklen M盲chten zu 眉berlassen, h盲lt der Wissenschaftler f眉r einen haarstr盲ubenden Fehler: 鈥濪ie verheerenden Folgen der Beeinflussungen durch Cambridge Analytica beim Brexit-Votum und der Trump-Wahl im Jahr 2016 zeigen, wie gef盲hrlich es ist, wenn wir aufh枚ren, uns mit dem Thema zu besch盲ftigen.鈥� Au脽erdem ist f眉r Fabian Braesemann klar: 鈥濪ie
konkurrierenden politischen Systeme etwa in China und Russland werden die Nutzung dieser Daten in gro脽em Stil vorantreiben.鈥� Und weiter:
